Abstracts - Ringvorlesung "Politiken der Un_sichtbarkeit" im WiSe 2021/22

12.10.2021. Katharina Wiedlack / Sushila Mesquita (Universität Wien): Einführung

Thematische Einführung der Organisator*innen – Teilnahme nur für Lehrveranstaltungsteilnehmer*innen.

Sushila Mesquita, Dr.x, arbeitet im Referat Genderforschung der Universität Wien und unterrichtet und forscht zu intersektional_queer_feministisch_postkolonialen Ansätzen und Perspektiven.

Katharina Wiedlack, Dr.in, ist FWF-Senior Post-Doc Projektleiterin am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Amerikanischen Literatur- und Kulturwissenschaften, amerikanisch-russische Beziehungen, queere und feministische Theorie, Populärkultur, sowie den postsozialistischen, dekolonialen und dis/ability Studien.


09.11.2021 | Denise Bergold-Caldwell (Marburg): Schwarze Weiblich*keiten: Politiken der Unsichtbaren/Sichtbarkeit

Schwarzfeministische Konzepte von Care und Community-Arbeit gelten bisweilen als wenig sichtbar, obwohl sie zentral dafür sind Welt anders und different zu verstehen. Sie sind unsichtbar und sichtbar zu gleich, weil sie wenig zur Kenntnis genommen werden und anderseits die einzige Möglichkeit bieten, Schwarzen Community’s beim Überleben zu helfen. Ohne diese sichtbare-unsichtbare Arbeit, in der Care eine andere Bedeutung bekommt, war und ist Überleben in ‚Gendered Racial Capitalism‘ sehr schwer möglich. Wissen das zentral ist in diesen Praktiken wird selten als ‚Bildung‘ betrachtet und ist noch weniger in politischen Bildungskontexten beheimatet. Der Beitrag möchte dieser Unsichtbarkeit auf die Spur kommen und sie sichtbar machen.

Der Beitrag wird in drei Abschnitten vorgehen: Zunächst erfolgt in einer begrifflichen Einführung, was unter Kolonialität (Quijano 2000) zu verstehen ist und verdeutlicht, warum „Gendered Racial Capitalism“ (Burden-Stelly 2020) die Grundlage bildet, die nach wie vor wirksam ist. Von dort aus werden Schwarfeministische Theorien und Politiken vorgestellt, die es vermögen, Bildung neu zu denken und Dekolonialialität als zentrale Ankerpunkte darin zu verwenden.

Denise Bergold-Caldwell ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des Zentrums für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung an der Philipps-Universität Marburg. Die promovierte Bildungs- und Erziehungswissenschaftlerin lehrt mit einem Schwerpunkt auf post- und dekolonialen Bildungsprozessen. Neben zahlreichen Publikationen in den Bereichen der Gender und Queerstudies, des Antifeminismus, der Migrationspädagogik und der interkulturellen Bildung und Erziehung ist 2020 die Monographie Schwarze Weiblich*keiten. Intersektionale Perspektiven auf Bildungs- und Subjektivierungsprozesse erschienen


23.11.2021| Araba Evelyn Johnston-Arthur (Washington D.C): Remembering the University of Vienna as space of un/silencing: Un/denkbare anti-koloniale Widerstände im post-nazistischen Österreich der frühen 1960er Jahre

Mit der glokalen, anti-kolonialen Rassismuskritik von PASUA (Pan African Students Union of Austria), allen voran ihrer Vorsitzenden Unokanma Okonjo, rückt der Vortrag bis heute un/denkbar gemachte Schwarze Widerstände in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung. In der kurzen Zeitspanne von 1961-1964 lenkte der anti-imperialistische, pan-afrikanische Aktivismus von PASUA sowohl österreichische als auch internationale Aufmerksamkeit auf Realitäten des anti-Schwarzen Rassismus im post-nazistischen Österreich der frühen 1960er Jahre. Im Spannungsfeld vielschichtiger, intersektionaler (Un)sichtbarkeiten und Politiken des aktiven Vergessens und kritischen Erinnerns war und ist die Universität Wien hier ein zentraler Kampfort.

Araba Evelyn Johnston-Arthur hat als community- und Kulturarbeiterin in Wien gewirkt und war Mitbegründerin von Pamoja. Bewegung der jungen afrikanischen Diaspora und der Recherchegruppe zu Schwarzer österreichischer Geschichte. Sie beschäftigt sich mit der "liberating art of rememberance" und unterrichtet derzeit an der Howard University in Washington DC.


07.12.2021: Vanessa E. Thompson (Queen’s University): Polizieren von Schwarzsein in Europa. Zur Intersektionalität von I can't breathe und abolitionistischen Präsenzen

Kommentar: BigSibling Kollektiv (Wien)

Intensiviertes Polizieren, die zunehmende Kriminalisierung von Migration und die Bestrafung und Vergeschlechtlichung von Armut stellen einige der offenkundigsten Artikulationen im neoliberalen racial gendered capitalism dar. Dabei setzen diese Tendenzen der Versicherheitlichung besonders mehrfachmarginalisierte Subjekte und Gruppen verschränkten Modalitäten von Gewalt aus und werden an den Intersektionen von Ungleichheitsdimensionen wirksam. Diese Konjunkturen sind auch von Diskursen des Strafrechtsfeminismus und dem Zusammenwirken von Rassismus und (Queer-) Feminismus geprägt, da staatliche Kontroll- und Abschieberegime zur Durchsetzung feministischer Interessen mobilisiert werden. Der Vortrag widmet sich Debatten um racial profiling in europäischen Kontexten und diskutiert insbesondere die Kolonialität gegenwärtiger Polizeiregime entlang ihrer intersektionalen Artikulationen. Dabei wird mit Bezug auf ein ethnographisch-aktivistisches Projekt mit rassismuskritischen und intersektionalen Kollektiven in Deutschland, Frankreich und der Schweiz sowie in Auseinandersetzung mit Frantz Fanons Konzept von combat breathing und Schwarz-feministischen Methodologien ein Konzept intersektionaler Gewaltmodalitäten herausgearbeitet, das (post-)kolonialen Polizei- und Sicherheitslogiken sowie Strafrechtsfeminismen eingeschrieben ist. In Auseinandersetzung mit kreativen Praktiken und Politiken der Flüchtigkeit mehrfachmarginalisierter Gruppen diskutiere ich abschließend radikale Alternativen zu Formen des Polizierens, die auch feministische Konzepte von care intersektional und abolitionistisch wenden.

Vanessa E. Thompson ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der komparativen Sozial- und Kulturanthroplogie an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder und incoming assistant professor in Black Studies an der Queen's University Kanada. Sie forscht und lehrt im Bereich der Black Studies (mit besonderem Fokus auf Schwarze soziale Bewegungen und Schwarze Feminismen), kritischen Rassismus- und Migrationsforschung, postkolonialen Feminismen, Polizeikritik und Kritik staatlicher Gewalt sowie Abolitionismus. Sie hat zu Schwarzen radikalen Theorien und Bewegungen in Frankreich und Europa, Schwarz-feministischen abolitionistischen Kämpfen und Frantz Fanons Arbeiten publiziert. Sie ist Mitgründerin eines intersektionalen cop-watch Kollektivs, Mitglied in der Internationalen Unabhängigen Kommission zur Aufklärung über den Tod des Oury Jalloh, und ist in internationalen abolitionistischen Bewegungen aktiv. 

Vortrag und Kommentar wurden in freundlicher Kooperation mit  dem "A...rbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen" der "A...kademie der bildenden Künste Wien" organisiert.


11.01.2022: Emily Ngubia Kessé (Berlin): Wissen Dekolonisieren. Silence, Wissen und Machtstrukturen

The academic centre is not a neutral location. It is a white space where Black people have been denied the privilege to speak. (Kilomba, 2010; 27)

Knowledge has always had an agenda – to sustain power relations. To whose advantage? - But how do epistemologies achieve this agenda? Translated to the field of neuroscience, I would like to focus on how practices of silencing contribute to the stabilization and maintenance of power and domination relations in the processes of knowledge production and transfer. I hope to make visible the (colonial) racist norms that are invisible to many members of the majority population.

Emily Ngubia Kessé, Dr. rer. Medic extends research addressing the challenge of investigating socially constructed categories in science. She investigates how the categories of race & gender shape the 'doing' of new bio-tech research and in the production of bio-objects. In addition to her academic work, she is skilled & interested in establishing networks between public and private sectors, working between diverse disciplinary focuses that require innovative/creative engagement.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Frauen*solidarität statt.


25.01.2022: Christiane Hutson: "I am not oppressed by my body" - un_sichtbar rassifizierender Ableismus analysiert von BeHinderten QTIBIPoCs

In meinem Vortrag möchte ich folgendes erklären: Was ist rassifizierender Ableismus? Warum (und für wen) ist rassifizierender Ableismus "unsichtbar"? Wie kann rassfizierender Ableismus sichtbar gemacht werden, und warum sollten wir das tun? Dazu möchte ich wissenschaftliche und aktivistische Arbeiten queerer und heteronormativer, nicht-behinderter und BeHinderter BIPoC aus den USA und Deutschland vorstellen. Diese Arbeiten verdeutlichen folgendes: Wir erfahren Krankheit und Behinderung nicht "pur", sondern durch gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse vermittelt. Diese Ungleichheiten und Vermittlungsverfahren werden vom Gesundheitswesen nicht (ausreichend) berücksichtigt und nicht als Gefahr für Gesundheit und Einschränkung körperlicher Selbstbestimmung verstanden.

Christiane Hutson studierte Sozialwissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Sie positioniert sich als Schwarze Hetera of Color, war lange krank/ be_hindert, ist zur Zeit gesund privilegiert. Ihr Arbeitsinteresse gilt der Kontextualisierung von Krankheits- und Behinderungserfahrungen aus Perspektiven of Color.

Dieser Termin findet mit Schriftdolmetschung (konventionelle Methode, in Zoom) statt.