Border Regimes, Territorial Discourses, and Feminist Politics in Reykjavík (Mai 2019)

Katinka Czigány hat 2018 das Masterstudium Gender Studies an der Universität Wien abgeschlossen. Sie hat auf der NORA-Konferenz im Mai 2019 einen Beitrag mit dem Titel "'Our Family' – Populist demarcations in Hungary” aus ihrer Masterbeit präsentiert. Ihr Aufenthalt wurde gefördert. In diesem Gastbeitrag schildert sie ihre Eindrücke und Reflexionen.

 

Veranstaltet  wurde die Konferenz von NORA-Nordic Journal of Feminist and Gender Research. Ziel der Konferenz war es, eine interdisziplinäre Plattform für kritische feministische Forscher_innen auf der ganzen Welt zu schaffen. Die Konferenz hat sicherlich ihr Ziel erreicht, viele von uns zu verbinden, zu bilden uns zu inspirieren

Dekoloniale Perspektive und Indigenes Wissen

In diesem Jahr lag der Schwerpunkt auf der dekolonialen Perspektive in der feministischen Forschung. Wie wir aus dem Eröffnungsvortrag von Madina Tlostanova lernten, hebt die dekoloniale Perspektive, basierend auf der postkolonialen Theorie, die gegenwärtigen kolonialen Machtstrukturen hervor und stellt sie in Frage, indem sie sich auf Indigenes Wissen konzentriert, zum Beispiel in Universitäten und Museen. Dementsprechend diskutierten die täglichen Hauptvorträge verschiedene Formen indigenen Wissens aus verschiedenen Kontexten wie den Widerstand  der Sami in Finnland, präsentiert von Rauna Kuokkanen, und ein Storytelling-Projekt zur Dekolonisierung indigener Sexualitäten in Kanada, präsentiert von Kim TallBear.

Die Schnittmenge von Feminismus und Dekolonialisierung wurde auch in mehreren Panels und Runden Tischen diskutiert, vor allem entlang der Frage, warum der "Anti-Genderismus" oft eng mit Nationalismus und Kolonialismus verbunden ist. Daher spielte das von mir vorgestellte Panel Nationalismus und Geschlecht auch eine wichtige Rolle für ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge. Die dekoloniale Perspektive hat neue Sichtweisen auf Polen, Italien, Ungarn sowie die Europäische und die ehemalige Sowjetunion eröffnet. 

"Anti-Genderismus", Nationalismus, Kolonialismus

Eine der Kontroversen war, dass der Nationalismus sowohl als anti-koloniale Reaktion als auch als "kolonialistisches" Projekt innerhalb des Staates gegen alle, die nicht zur "Nation" gehören, angesehen werden kann. Das Beispiel der Anwendung des "strategischen Nationalismus" im polnischen feministischen Widerstand des Czarny-Protestes verdeutlichte den kontroversen Zusammenhang zwischen feministischem Widerstand und dekolonialen Bewegungen, indem es die konkrete Frage aufwirft, wie der Feminismus Massen mobilisieren kann, ohne Identitätspolitiken zu reproduzieren.

Im Zusammenhang mit dieser Diskussion wurde auch eine weitere Problematik angesprochen: die strikte Unterscheidung zwischen weit rechten, rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien. Meiner Meinung nach deuten diese beiden Diskussionen auf eine Verschiebung der Grenzen innerhalb der Identitätspolitik wie Feminismus und Nationalismus hin zu einer Grenze zwischen kolonialer und dekolonialer Politik. Die Rahmung von Nationalismus und Rechtspopulismus in der dekolonialen Perspektive scheint zu einem besseren Verständnis der Zusammenhänge von Nationalismus, Kolonialismus und Feminismus zu führen.

Dunkelhaarige Frau hält ein Namensschild und blickt in die Kamera

Katinka Czigany in Reijkjavik (Bild: K. Czigany)