15th Annual Feminist Theory Workshop in Durham (März 2022)

Elif Guel nahm im Rahmen ihres Doktoratsstudiums und mit einer Förderung des Referats Genderforschung am 15th Annual Feminist Theory Workshop an der Duke University im März 2022 teil.

Zum diesjährigen Feminist Theory Workshop der Duke University lud die Universität Prof. Sabine Grenz und das Referat für Genderforschung ein, Co-Sponsor*innen zu werden. Somit durfte ich im März an dem Workshop teilnehmen und für die Universität Wien für ein paar Tage auf die Duke University in Durham.

Auf dem Weg zur Konferenz

Die Unberechenbarkeit der Pandemie hat dazu geführt, dass lange unklar war, ob die Konferenz stattfinden könnte bzw. wie sie stattfinden würde, zumal sie bereits im Jahr davor abgesagt worden war. Die Organisator*innen entschieden einen Monat vor der Konferenz, sie als Hybridveranstaltung durchzuführen. Leider musste auch die Keynote von Judith Butler abgesagt werden, stattdessen sprach jedoch Prof. Banu Subramaniam, was mein STS-Herz hat höherschlagen lassen.

Die Konferenz startete also am 16.März mit einem Online-Kick-off, um das Online-Tool QiqoChat kennenzulernen und den Ablauf der Konferenz zu besprechen. Erst danach flog ich (mit 2 Zwischenstopps in München und New York) nach Durham. Rückblickend wäre es wohl stressfreier gelaufen, wenn ich doch 1–2 Tage früher angekommen wäre. 

In Durham ist die öffentliche Verkehrsanbindung eher schlecht ausgebaut und die meisten Menschen bewegen sich mit Autos durch die Stadt. Das hat auch für mich bedeutet, dass ich entweder zu Fuß unterwegs sein oder mit Taxi/Uber fahren musste. Da es ein sonniger Tag war, entschied ich mich für den Spaziergang und spürte auf dem Weg die Aufregung in mir steigen. Alleine auf einer Konferenz in den USA zu sein, war eine tolle Gelegenheit und brachte auch einen Druck mit sich, neue Menschen kennenzulernen und möglichst viel von der Konferenz mitzunehmen. Da es meine erste Konferenz in Zusammenhang mit meiner Dissertation war und ich seit zwei Jahren keine großen Veranstaltungen besucht hatte, war ich also besonders aufgeregt.

Beim Eingang wurden alle Teilnehmer*innen empfangen und bekamen Namenskärtchen sowie auch ein Programmheft, Süßigkeiten und Stifte und Blöcke des Instituts für Gender and Sexuality Studies. Covid-Test- bzw. Impf- oder Genesungszertifikate mussten per E-Mail an die Veranstalter*innen geschickt werden oder beim Eingang vorgewiesen werden.

Über Qiqochat waren fast 1000 Personen an der Veranstaltung angemeldet, der Saal vor Ort war nur zur Hälfte voll. Die einleitenden Worte kamen von Director of Gender, Sexuality and Feminist Studies Jocelyn Olcott, die sich besonders über das Hybridevent freute und Jennifer Nash als ihre Nachfolgerin als Leiterin des Programms verkündete. Während der gesamten Veranstaltung wurden die Online-Teilnehmer*innen von Tania Rispoli neben der Bühne betreut und ihre Kommentare und Fragen in den Raum hineingetragen und gestreamt. An beiden Tagen gab es jeweils zwei Keynotes und am zweiten Tag zusätzlich einen Austausch in eigenen Gruppen und ein Abschlusspanel.

Die erste Keynote: Banu Subramaniam zum Dekolonisieren und Queeren von Botanik

Die erste Keynote kam von Banu Subramaniam. Als Vorbereitung für ihre Keynote war ihr Text „Interdisciplinary Hauntings. The Ghostly World of Naturecultures“ aus ihrem Buch „Ghost Stories for Darwin“ zur Verfügung gestellt worden. In der Keynote sprach Subramaniam über die Notwendigkeit, die Botanik zu queeren und zu dekolonialisieren. Sie spricht dabei von NaturKulturen, die sich gegenseitig beeinflussen, und lehnt eine Dichotomie zwischen Natur und Kultur ab. Die Botanik sollte dekolonialisiert werden, weil Pflanzen mit den Kolonialmächten gewandert sind und mit ihnen neue Grenzen gezogen und Hierarchien geschaffen wurden. Und sie sollte gequeert werden, weil die eurozentrisch-menschliche Sexualmoral der Zeit auf die Pflanzen projiziert wurde und es somit zu einer verfehlten Beschreibung von vermeintlich heterosexuellen weiblichen und männlichen Pflanzen gekommen ist. Das entspricht nicht der Realität, da die Pflanzenwelt eine große Variation an Fortpflanzungswegen kennt. Hierzu zitiert sie Arbeiten von Londa Schiebinger, Anne Fausto-Sterling und Maria Puig de la Bellacasa.

Die zweite Keynote: Durba Mitra zu Frauenberichten

Die zweite Keynote kam von Durba Mitra, die über „Das Leben des Frauenberichts“ erzählte. Sie gab einen Abriss über die Geschichte von Frauenberichten aus unterschiedlichsten Organisationen und Staaten und deren politische Bedeutung sowie auch ihre Bedeutung für die feministische Bewegung. Sie sieht den Frauenbericht als ein Symbol für die Beforschbarkeit von Frauen, weil sie Frauen sind. Ihre Forschung beschäftigt sich damit, wie Frauen gelesen und geschrieben werden – in eben diesen Frauenberichten. Es entwickelte sich eine Industrie zur Forschung zu Frauen und ihrem Status in der Gesellschaft, wobei die Quantifizierung des Status im Vordergrund stand. Dabei kommt Mitra zu dem Schluss, dass die Berichte eine Emanzipation der Frau versprachen, dieses Versprechen aber nicht halten konnten.

Somit war der erste Tag der Konferenz bereits abgeschlossen und es gab zum Abschluss noch ein Buffet und Getränke. 

Die dritte Keynote: Veronica Gago zum feministischen Streik

Am nächsten Tag startete die dritte Keynote mit Veronica Gago, die sich mit dem feministischen Streik – hauptsächlich in Argentinien – befasste. Den feministischen Streik beschreibt Gago als die Bildung eines Kollektivs, das die Definition von Streik veränderte, was wiederum einen Akt der Rebellion darstellte und Neoliberalismus zu Hause und auf der Straße herausforderte. Sie spricht sich für eine nicht-partriarchale und nicht-neoliberale Gerechtigkeit aus. Neoliberalismus beschreibt sie als „financial destructionism“, der finanzielle Ausbeutung durch das System und die Arbeitsbedingungen individualisiert und die Verantwortung auf einzelne schiebt. Das führt besonders zur Prekarisierung von Frauen, trans* und nicht-binären Personen. Dies nennt sie „patriarchy of finance“.

Die vierte Keynote: Jennifer Morgan zu versklavten Schwarzen Frauen

Die letzte Keynote kam von Jennifer Morgan, die über ihre Arbeit zu versklavten Schwarzen Frauen sprach. Sie begründet ihre historische Forschung damit, Schwarzen, versklavten Frauen in der Geschichte und den Geschichtsbüchern einen Platz zu geben, und arbeitet in Archiven hauptsächlich zu dieser Thematik. Für ihren Vortrag wählte sie die Geschichten von drei Personen aus. Eine, von der es außer einem Gemälde keinerlei Informationen z. B. über Name, Herkunft oder Leben gibt, außer dass sie für eine sehr wohlhabende Familie arbeitete; eine andere, die vor Gericht zog, um ihre Freiheit einzuklagen; und schließlich eine weitere, die das Schiff, in dem sie und andere versklavte Personen transportiert wurden, in Flammen setzte und somit alle Insass*innen und sich selbst tötete. Ihre Geschichte wurde oft als ein Unfall beschrieben, Jennifer Morgan sieht darin allerdings eine beabsichtigte Handlung und den Wunsch nach dem Tod als Erlösung vor dem, was ihr und den anderen auf dem Schiff bevorstand. In ihrer Aufarbeitung versucht Morgan einen Fokus auf die Handlungsmacht der Frauen zu legen, zu denen sie forscht.

Der Abschluss der Konferenz

Als vorletzten Punkt auf der Agenda der Konferenz gab es Kleingruppenarbeit mit Personen, die zu ähnlichen Themen arbeiteten, wie zum Beispiel queer theory, governance und care, und wir hatten Gelegenheit, uns über die Inhalte der Keynotes austauschen und zu teilen, was diese mit unserer eigenen Arbeit verbindet. Zu diesem Zeitpunkt waren alle bereits sehr müde und der Austausch nahm dementsprechend einen eher unverbindlich lockeren Charakter an. Zum Abschluss des Feminist Theory Workshops fasste ein Panel aus Jennifer Nash, Samantha Pinto, Anna Storti und Peter Sigal die Ereignisse und Inhalte der Konferenz zusammen.

Alle an der Konferenz teilnehmenden Studierenden wurden noch zu Essen und Getränken in eine Bar eingeladen, um die Konferenz ausklingen zu lassen. Die Möglichkeit zum Austausch über QiqoChat besteht auch heute noch.

Die Inhalte der Konferenz sollen in den nächsten Wochen auf dem Youtube-Channel des Instituts zur Verfügung gestellt werden.